AIRA
ARTHUR BAKER UND DIE TR-808
Arthur Baker, seines Zeichens Pionier auf dem Gebiet elektronischer Musik, ist verantwortlich für Hits wie „Planet Rock“ von Afrika Bambaataa und Soul Sonic Force und „Play At Your Own Risk“ von Planet Patrol. Mit seiner Arbeit hat er musikalische Genres geprägt. Nun hat er eine Dokumentation gedreht, in der er die Geschichte der Roland TR-808 erkundet, Interviews mit Größen der elektronischen Musik führt und mit dem Roland Gründer Ikutaro Kakehashi in Japan spricht. Diese Möglichkeit konnten wir uns nicht entgehen lassen und haben ihn getroffen – um mit ihm über den Film
Arthur Baker, seines Zeichens Pionier auf dem Gebiet elektronischer Musik, ist verantwortlich für Hits wie „Planet Rock“ von Afrika Bambaataa und Soul Sonic Force und „Play At Your Own Risk“ von Planet Patrol. Mit seiner Arbeit hat er musikalische Genres geprägt. Nun hat er eine Dokumentation gedreht, in der er die Geschichte der Roland TR-808 erkundet, Interviews mit Größen der elektronischen Musik führt und mit dem Roland Gründer Ikutaro Kakehashi in Japan spricht. Diese Möglichkeit konnten wir uns nicht entgehen lassen und haben ihn getroffen – um mit ihm über den Film zu reden und das Roland Museum zu besuchen. Er erzählte uns vom New York der 80er Jahre, von der Geburt der Dance Music und wie seine Beziehung zu den Roland Drum Machines ist.
Kannst du uns etwas über deine neue Dokumentation „Tales oft he 808“ erzählen?
Wir haben jetzt insgesamt über zwei Jahre an diesem Projekt gearbeitet. Auf die Idee kamen wir, als Luke Bainbridge und ich das Konzept zu einem Film über Songs und Clubs aus den 80ern ausarbeiten wollten. Durch meine Verbindung zu Planet Rock, haben wir uns ihren Track genommen, um die Grundidee daran zu testen. Als wir anschließend zusammen beim Mittagessen saßen, haben wir den Entschluss gefasst, daraus ein 808 Projekt zu machen: „Planet Rock und andere Geschichten rund um die TR-808“. Die TR-808 – ihre Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft.
Wie war das Interview mit Herrn Kakehashi?
Wir haben immer gehofft, jemanden von Roland interviewen zu können, der an der Entwicklung der TR-808 beteiligt war. Nach einiger Vorlaufzeit war es gestern soweit – ein großartiges Interview! Wir waren mit Mr. K im Roland Museum und hatten einen super Tag. So viel hatten wir gar nicht zu hoffen gewagt.
Im Roland Museum findet sich alles, was Roland je herausgebracht hat – was sind deine Favoriten?
Ich habe einige Teile gesehen, die ich selbst habe und von denen ich gar nicht wusste, wie alt sie schon sind. Geräte, wie die 1000 oder die CR-78 – Jungs wie Hall und Oates haben die schon benutzt. Man konnte den Kick oder die Snare stumm schalten und wunderbar am Sound herumbasteln. Es gab so viele alte Drum Machines, wie das ACE TONE, die man nur anschließen musste und schon konnte man loslegen; das geht heute oft nicht mehr so leicht.
Du hast ein ACE TONE verwendet? Das waren die Vorgänger der ersten Roland Instrumente!
Die ganze Geschichte ist wirklich interessant: Wie Herr Kakehashi die eine Firma verlassen und eine neue gegründet hat. Kurz darauf ging die andere Firma pleite, was zeigt, dass er sie am Leben gehalten hatte. Wir haben dazu viele Informationen gesammelt, aber die gibt’s in der Dokumentation zu sehen.
Hast du geahnt, welchen Einfluss Planet Rock auf die Musik haben wird, als du das Album produziert hast?
Ich habe vor kurzem mal wieder ein Interview angehört, das wir mit Tom Silverman, dem President von Tommy Boy Records, geführt haben. Er sagte, dass ihm, als er abends das Studio verließ, nicht bewusst war, dass wir etwas so Besonderes geschaffen hätten. Ich wusste es sofort. Ich habe immer gesagt, dass ich dachte wir würden die Geschichte ändern. Meine Ex-Frau erzählt immer wieder gerne, dass ich oft nach Hause gekommen bin und gesagt habe, dass wir etwas Fantastisches geschaffen haben, das entweder jeden mitreißen oder das die Menschen hassen werden. Es wird entweder gigantisch oder ein kompletter Flopp. Und das sind genau die Arten von Alben, die man machen möchte. Wenn es nicht das Zeug hat ein Hit zu werden, kann man es gleich ganz lassen. Es geht nicht darum mittelmäßig zu sein. Mehr als alle anderen, die an dem Album mitgearbeitet haben, habe ich das Potenzial erkannt. Viele haben daran mitgearbeitet, aber am Ende lag es in den Händen des Produzenten. Ich habe es so abgemischt, wie ich es mir vorgestellt habe und so ist es dann auch erschienen.
Erzähle uns von dem Tag, an dem ihr zum ersten Mal die 808 im Studio benutzt habt.
Wir hatten damals keine Drum Machine, also mussten wir uns eine leihen. In der Village Voice haben wir eine Anzeige gesehen, in der „Man and Drum Machine“ stand – wie sich herausstellte, war es eine 808. Der Besitzer hat die Basic Beats programmiert und ich habe die Cowbell und ein paar andere Sachen hinzugefügt – das hätte man auch mit jeder anderen Drum Machine machen können. Während wir die Dokumentation gedreht haben, sind wir auf ein paar Leute gestoßen, die die TR-808 schon sehr früh benutzt haben, ohne genau zu wissen, was es eigentlich war. Sie hatten also eher zufällig eine Drum Machine gekauft. Aber als sie sie zum ersten Mal gehört haben, wussten sie, dass es sich um etwas ganz Besonderes handelt.
Wer waren nach Planet Rock die ersten, die gezielt nach einer 808 gefragt haben?
Al-Naafiysh (Hashim), Man Parrish – die New Yorker Jungs kannten alle Planet Rock und sie wollten genau diesen Drum Sound. Unterm Strich basiert der gesamte Miami Bass Trend auf Planet Rock.
Hatte Afrika Bambaataa seinen Rap schon geschrieben, als er ins Studio kam um Planet Rock aufzunehmen?
Das war definitiv komplett spontan. Ich wollte den Vibe einer Live-Performance und Globe hatte vorher schon ein paar andere Rapper angeschleppt, aber sie mussten es komplett neu abstimmen. Der Track war viel schneller, als sie erwartet hatten. Ich beschloss das Tempo von Numbers zu übernehmen, nicht von Trans Europe Express (beide Stücke von Kraftwerk wurden auf der Platte gesampled), so dass sie ihre Lyrics komplett überarbeiten mussten – es war ein ganzes Stück Arbeit.
Wie war der Vibe, die Stimmung? Nur ein weiterer Tag im Studio?
Nur ein weiterer Tag im Studio…? Das gab es damals nicht, wir waren ja noch ganz neu im Geschäft. Es war absolute Begeisterung. Die Session in New York war meine dritte oder vierte überhaupt.
Was war dein erster Job bei Tommy Boy?
Mein erster Job für Tommy Boy war die Arbeit an Jazz Sensation, übrigens auch schon mit Bambaataa. Es war sehr langsam und genau so, dachten sie, würde Planet Rock auch werden.
Die Rapper kamen und sind in der ersten Nacht gleich wieder abgezogen. Wir hatten ihnen ein Tape gegeben und es war alles andere als die Down-Tempo Tracks, die sie erwartet hatten. Wahrscheinlich hat Globe sie überzeugen können und sie ließen sich darauf ein, aber das war auf jeden Fall nicht von Anfang an so.
Warum ist die TR-808 heute noch so beliebt?
Der Sound, sowohl des Geräts, als auch das was die Leute seitdem damit gemacht haben, hat die Musik verändert. Das Signal zu verbiegen, mit Effekten zu belegen und so seinen komplett eigenen Sound zu schaffen, ist heute so wichtig wie nie zuvor. Mittlerweile stehen den Künstlern ganz andere Mittel zur Verfügung, als wir damals hatten. Als Rick Rubin „It’s Yours“ aufgenommen hat, hatte er nichts anderes als seine Turntables zum Scratchen und eine Drum Machine. Er hat beides so geschickt eingesetzt, dass er dadurch den 808 Boom ausgelöst hat. Bei Planet Rock haben wir die Effekte genutzt, um das Signal zu verändern, haben aber eine satte Bass Line daruntergelegt. So haben wir unseren eigenen 808 Sound geschaffen. Als wir unsere ersten Mixe in die Plattenläden gebracht haben, hat es denen fast die Lautsprecher weggeblasen! Man hat die Musik mehr gespürt als gehört! Wir mussten also noch einmal zurück ins Studio gehen und es remastern. Herb Powers hatte einige Erfahrung und war großartig im Mastern, aber er hatte noch nie eine 808 gemastert. Er hatte Yamaha Speaker verwendet, die absolut nicht für den 808 Sound geeignet waren. Auf seinen großen Monitoren mag es funktioniert haben, aber normale Allerwelts-Lautsprecher haben das nicht mitgemacht. Wir sind also immer wieder in den Plattenladen gegangen, um den Sound auf ihren Speakern zu testen.
Du hast einige große Artists für die Dokumentation interviewt – wen konntest du alles gewinnen?
David Guetta, zum Beispiel. Es war echt schwer ihn zu erreichen, aber er ist ein sehr cooler Typ! Ich habe ihn und ein paar andere interviewt, den Großteil hat aber Luke [Bainbridge] übernommen, da ich vermeiden wollte, dass die Leute Dinge nur sagen, weil sie mit mir sprechen. Auch das Interview mit Herr Kakehashi gestern war super. Luke hat echt eine ganze Menge im Gespräch gehabt, eigentlich müsstest du ihn fragen. Aber aus jedem Gespräch haben wir viele tolle Aussagen mitgenommen. Jetzt beginnt die Puzzle-Arbeit, in der wir aus den einzelnen Fragmenten ein großes Ganzes zusammensetzen.
Moby sagte, dass jeder, der mit einer Drum Machine versucht cool zu sein, lügt – sie sind Nerds wie ich… stimmst du ihm zu?
[Grand Master] Flash sah definitiv cool aus, als er damals live zu seiner Drum Machine gebeatboxed hat. Es gibt Leute, die drehen einfach nur an ein paar Reglern, und es gibt andere, die dabei verdammt cool aussehen. Du kannst einfach nur daneben stehen und ein paar Knöpfe drücken, während die Drum Machine die Musik macht, du kannst aber auch eine mega Show hinlegen – es liegt an dir.
Moby sagte auch, dass er Drum Machines mag, weil sie immer am Start sind – Drummer können sich auch mal verspäten…
Wenn du einen ausgezeichneten Drummer hast und dessen Sound willst, dann ist er genau der Richtige. Klar, Drummer sind ein eigenes Völkchen, aber Maschinen können auch ihre Macken haben.
Wie bist du zum DJing gekommen?
Über mein Studium 1974, damals bin ich auf das Amherst, später auf das Brooklyn GLI gegangen. Dort hatten sie Mixer. Ich bin losgezogen, habe mir meinen eigenen gekauft und angefangen Partys zu veranstalten.
Stimmt es, dass du Songs unterbrochen und die Platte ins Publikum geworfen hast, wenn der Crowd ein Song nicht gefiel?
Ja, das war ’75 in einem Club namens „Rasheed’s“. Ich war kein guter DJ, ich war einfach nur geduldig. Bei den College Partys haben die Leute immer getanzt, egal was ich gespielt habe. Im Club war das anders, mein Konzept hat also nicht funktioniert.
Wie ist deine Freundschaft zu New Order entstanden?
Ein Freund arbeitete für Factory [Records], er stellte uns vor.
Kanntest du Joy Division damals?
Nicht, als wir uns das erste Mal trafen. Danach habe ich ein bisschen recherchiert und „Love Will Tear Us Apart“ gehört. Ein Joy Division Fan war ich also nicht wirklich.
Warst du ein Fan, als du New Order zum ersten Mal gehört hast?
Ja, die fand ich von Anfang an cool. Ich mochte englischen, naja, Electro kann man es nicht wirklich nennen, aber Depeche Mode und Yazoo.
Ich habe mir „Play At Your Own Risk“ angehört und die Kommentare auf YouTube zeigen, wie sehr die Leute es lieben. Sie schreiben „Ich weiß noch, als sie das auf der Eisbahn gespielt haben und wie wir darauf abgegangen sind“ oder „Das war das Jahrzehnt der Dance Music“ – Wie fühlt sich das an?
New York war damals der Hammer. Die Leute, die damals in die Clubs kamen, um unsere Musik zu hören, hatten nicht viel Geld, ab sie liebten es abzugehen. Wir haben etwas Neues geschaffen, speziell für diese Menschen. Ich habe Platten produziert, um sie im Fun House, der Dancetaria oder Paradise Garage zu spielen, ich habe sie für sie produziert. Ich und ein paar andere Jungs wussten, was sie wollten. Es ist schön zu sehen, dass sie sich daran erinnern! Ich finde es gut, wenn es Fans von der Musik von damals gibt – es war die beste, die ich jemals gemacht habe. Ich spiele heute noch gerne Play At Your Own Risk. Es war, als würde man Planet Rock neu definieren und noch einen guten Song oben drauf packen.
Was war das ausgefallenste Outfit, in dem du Afrika Bambaataa je gesehen hast?
Meinst du diese Woche? Letzte Woche, bei „Parliament meets the Village People“ hatte er ein Wikinger-Kostüm an.
Homestudios werden immer beliebter – denkst du, dass analoge Produktionen hierdurch ein Comeback erleben?
Ich glaube, das hängt davon ab, wie viel Zeit und Platz man zur Verfügung hat. Wenn du genug Zeit hast und dein Zuhause groß genug ist, um darin einen Synthesizer aufzustellen – warum nicht? Aber wir sind durch unsere Laptops verwöhnt. Wenn du als DJ viel reist, kannst du deine Songs mittlerweile auch am Flughafen oder im Flugzeug machen. Die Mischung ist oft die Lösung: du kannst die moderne Technik und Mobilität mit dem Analogen verbinden. Nimm im Studio analog auf und schneide die Tracks auf dem Laptop. Ich mache das seit ’96-97… Klar, einige der alten Synths klingen offensichtlich besser als die Soft Synths, aber gibst du deswegen die Möglichkeit auf unterwegs Musik zu machen? Ganz sicher nicht. Eher verpasst du dem Sound am Ende noch den letzten Feinschliff.
Du hast viele Remixe gemacht – welcher war dein erfolgreichster?
Das hängt davon ab, wie du Erfolg definierst. Es gab diese Platte von Fleetwood Mac, von der der Head of Dance des Labels meinte, sie solle nicht geremixed werden, jedoch der Leiter der Artist Relations das wollte. Ich hab’s einfach gemacht und es wurde die Number 1 Club Record in den den USA, dank meiner Arrangements. Das war damals „Big Love“ von Fleetwood Mac.
Der Remix von „Too Much Blood“ von den Rolling Stones ist in einer Kreativsession unter Einfluss diverser bewusstseinserweiternder Substanzen entstanden. Ich denke, meine Remixe von Rock Songs sind echt gut. Von Bruce Springsteen habe ich die drei Titel „Born In The USA“, „Cover Me“ und „Dancing In The Dark“ geremixed. Die Original-Arrangements von „Cover Me“ haben ihm überhaupt nicht gefallen, deshalb hat Bruce den Song nie live gespielt. Ich habe ihm ein spezielles Live-Arrangement gebastelt und er verwendet Elemente davon, um den Titel live zu performen.
Du hattest ein eigenes Label namens „Streetwise“ auf dem du fast die Beastie Boys veröffentlicht hättest. Warum kam es nicht dazu?
Adam Yauch (MCA) hat für mich im Studio gearbeitet und als ich sie zum ersten Mal hörte, wusste ich, dass sie groß rauskommen würden. Streetwise hat damals eine ziemlich schwere Phase durchgemacht, deshalb habe ich sie zu Manhattan Records gebracht, einem Label von Capital. Mein Kumpel war dort der Leiter der Abteilung für Artists und Relations und ich sagte ihm, du musst dir die Jungs anschauen. Die Beastie Boys sind der Hammer. Am späten Freitagabend hatten sie einen Gig in einer Pizzeria. Er wollte lieber in die Hamptons und nicht länger warten, deshalb ging er früher. Ich sagte ihm, er würde etwas verpassen.
Du hast auch mit Al Green und Bob Dylan zusammengearbeitet – wird man da nicht nervös?
Von Bob und Al war ich schon in der Schule ein riesen Fan und zehn Jahre später arbeitete ich mit ihnen. Ich war damals 29 oder 30 als ich Bob Dylan traf. Ich weiß noch, als ich zu seinem Hotelzimmer kam, die Tür offenstand und niemand da war. Drinnen standen überall die Wagen vom Roomservice, vollbepackt mit Tabletts. Es sah aus, als hätte er eine Party gefeiert oder wochenlang niemanden in sein Zimmer gelassen. Später stellte sich heraus, dass er mich nur testen wollte – der Start war für mich demnach etwas holprig. Wir haben dann später noch ein paar Kassetten angehört und es wurde ein entspannter Abend.
Was habt ihr euch angehört?
Die Songs, an denen wir dann später auch gemeinsam gearbeitet haben. Die Songs, aus denen „Empire Burlesque“ entstanden ist. Er hat mir damals hunderte Titel vorgespielt. Aber anstatt mir einen Titel anzuspielen und zu fragen „Was denkst du?“, hat er immer gleich zehn gespielt und dann gefragt. Ich habe ihm gesagt, dass ich sie mir alle in Ruhe anhören und ihm dann mein Feedback geben würde.
Seid ihr noch befreundet?
Wenn wir uns zufällig treffen, sagen wir kurz „Hallo“, aber eine enge Freundschaft ist es nicht wirklich. New Order sind echt gute Freunde geworden. Mit Barney und Hooky bin ich seit über 30 befreundet.
Was sind deine wildesten Anekdoten aus dem New York der 80er?
Wir haben jede Nacht gefeiert. Meist haben wir bis ein Uhr nachts gearbeitet und sind danach in die Dancetaria gegangen. Die hatten jede Nacht geöffnet und alle, die in einer Band gespielt oder bei einem Label gearbeitet haben, haben sich da getroffen. Es war der Place to be. Wenn sie um vier Uhr dicht gemacht haben, ist man oft zurück ins Studio gegangen, meist mit anderen Künstlern und jeder Menge berauschender Substanzen… So haben wir damals Platten gemacht. Immer high, immer hart am Feiern und mit jeder Menge Spaß. Selbst Jungs wie Nile Rodgers und Alan Vega von Suicide waren mit am Start. Unterschiedlichste Charaktäre haben zusammen abgehangen und Musik gemacht.
Welche Rolle spielt Musik für dich?
Heute hat Musik einen geringeren Stellenwert für mich als damals. Ich bin einfach ausgebrannt. Ich mag es immer noch Songs zu schreiben, das wird auch immer so bleiben. Das geistert immer in meinem Kopf herum, aber ich bin nicht mehr so darauf fokussiert. In dieser Hinsicht bin ich nicht so leidenschaftlich. Ich liebe die Sachen, mit denen ich aufgewachsen bin, höre immer noch viel Soul, Funk und Disco – vielleicht sogar mehr als damals. Das weckt einfach mehr Erinnerungen in mir. Ich würde mir eher die Spinners anhören als Parliament, eher Blue Magic als Cameo. Was das Musikmachen angeht – das liegt nicht mehr so sehr in meinem Fokus. Ich drehe lieber einen Film über Musik und fühle mich sehr wohl damit, Leute zu interviewen, die Musik machen.
Viel von der Musik, die ich heute zu hören bekomme, gefällt mir nicht. Einiges ist gut für den Club, eignet sich aber nicht für zuhause. Was mir zum Beispiel gefällt ist eine Band namens „Watch The Duck“. Ich liebe ihre Musik, der Typ hat echt eine gute Stimme und die Songs sind gut produziert. Aber es gibt sehr viel anders Zeug, das mich nicht anmacht. Ich habe auch gar kein Interesse daran, mich mit den Kids, die Dance Music produzieren messen zu müssen. Das ist einfach nicht mein Ding. Aber wenn du einmal einen Hit hattest, bleibt das Gefühl, dass du wieder eine erfolgreiche Platte an den Start bringen möchtest.
Was sind deine Tipps für den Nachwuchs, der am Anfang seiner Karriere steht?
Bringt Sachen zu Ende. Wir wurden auch immer dazu gedrängt zu einem Ende zu kommen. Insbesondere unser Label Tommy Boy hat uns immer Deadlines gesetzt: „Ihr habt acht Stunden, um mit dem Recorden fertig zu sein.“ – da musst du dich ranhalten! Heute produzieren die meisten von zu Hause aus und können sich so viel Zeit lassen, wie sie wollen. Wir hatten oft den Druck Entscheidungen fällen zu müssen – und meistens waren es die richtigen. Je freier ich war und umso mehr Zeit ich hatte, desto weniger Entscheidungen habe ich gefällt. Ich habe Tonnen von angefangenen Remixen und kistenweise Tapes, die ich nie zu Ende gebracht habe. Planet Rock haben wir direkt beim Abmischen fertig gestellt. Die Version, die heute zu hören ist, ist damals binnen kürzester Zeit entstanden.
Wie bringst du Bands dazu, ihr Bestes zu geben?
Mach’ sie high, mach’ sie betrunken. Gehe eine Verbindung mit ihnen ein. Sie müssen dir vertrauen und du musst ihnen das Gefühl geben, dass sie dir alles anvertrauen können. Das ist oft gar nicht so leicht. Ich selbst habe nicht gerne mit Bands gearbeitet – lieber habe ich die Aufnahmen bekommen und diese dann alleine fertiggemacht. Aber wenn eine Verbindung entsteht und man auf einer Wellenlänge schwingt, kann dabei Großartiges entstehen. Einige Produzenten haben es drauf und werden quasi ein Teil der Band. So war es bei mir und New Order – sie haben mich als einen von ihnen akzeptiert. Wir haben sogar zusammen Songs geschrieben. Andere Produzenten würden so etwas nie machen, sie sehen ihre Aufgabe eher darin die Band zu motivieren. Auch ein wichtiger Punkt! Wenn ich das besser könnte, hätte ich es sicher auch öfter gemacht. Es hat mich damals aber einfach nicht interessiert. Ich habe so viele Platten aufgenommen, bei denen ich die Band gar nicht mochte. Das ist ein weiterer Grund, warum ich mit dem Produzieren aufgehört habe: Ich hatte das Gefühl, dass ich hunderte Stunden damit verschwendete mir Bands anzuhören, die mich nicht anmachten.
Was denkst du über die Dance Szene von heute?
Ich glaube, sie haben den Sinn für elektronische Musik verloren. Die Kids in Amerika denken, dass sie aus Europa kommt. Sie wissen gar nicht, dass die Wurzeln in New York, Chicago und Detroit liegen. Nicht einmal die DJs interessieren sich noch dafür. Einer der Gründe, warum ich die Dokumentation über die 808 gedreht habe ist, dass ich den Leuten klar machen will, dass die Dance Music 1981-82 geboren wurde, als wir Planet Rock produziert haben. Ich glaube wirklich, dass hier der Ursprung lag. Selbst Giorgio [Moroder] hat bei Live-Auftritten Drums verwendet. Wir haben bei unseren Recherchen niemanden gefunden, der vor Planet Rock ausschließlich elektronische Drums für eine Dance Platte verwendet hat. Kurz danach war es weit verbreitet. Aber wir waren die ersten.
Ich weiß, dass du ein Fan von gutem Essen bist – du hast einmal gesagt, dass Essen mehr Rock and Roll ist, als Rock and Roll selbst.
Essen ist mehr Rock and Roll, als es der Rock and Roll von heute ist. Ein Koch ist wie ein Lead Sänger, eingesperrt in einer Kammer hinter der Bühne, gezwungen zu singen ohne dabei das Publikum zu sehen. Sie sind wie Sklaven, die nie sehen, wie die Gäste ihr Essen genießen.
Mit wem würdest du gerne zusammenarbeiten?
Da muss ich kurz nachdenken. Ich stehe auf gute Sänger. Cee Lo [Green] ist so einer. Ich habe einige Songs, die zu Hits werden könnten, wenn Sänger wie Cee Lo oder Jesse von Watch The Duck sie singen würden. Früher wollte ich immer, dass Bob Dylan und Al Green gemeinsam ein Duett singen.
Was muss man machen, um in der modernen Musikindustrie zu überleben?
Es geht sehr viel um Auftritte und Merchandising, du musst dich zu einer Marke machen, Sponsoren und Partner suchen. Du musst eigentlich viel mehr als nur eine Band sein, musst dich um das Marketing, das Merchandising, die Brand-Awareness und den Internetauftritt kümmern. Die meisten DJs, die den Durchbruch schaffen, werden über das Internet bekannt. Als Band musst du möglichst viele Gigs spielen, aber die Konkurrenz ist riesig. Ich fürchte, es gibt keine geheime Formel. Auf mich wirkt es oft so, als würde man heute seine Musik weggeben und später davon profitieren, dass man Konzerte geben und den Leuten T-Shirts verkaufen kann.
Welchen Rat würdest du einem 15-jährigen geben, wenn du könntest?
Stecke nicht dein eigenes Geld in Projekte. Das reicht.
Kannst du die 808 in einem Satz beschreiben?
„Der urbane Schmelztiegel moderner Musik.“ Sie definiert Urban Music und Electro, schlägt aber auch die Brücke zu Rock, Pop und Country. Jeder ihrer Sounds ist einzigartig. Du musst einem Song nur eine Cowbell oder einen Rim Shot hinzufügen und schon hat er den 808 Flavour. Viele haben die 808 als Instrument bezeichnet, nicht als Drum Machine. Es ist die 808. Sie hat Persönlichkeit und einen einzigartigen Sound. Für die Dokumentation haben wir Künstler gefragt, ob sie sich an eine Zeit erinnern könnten, in der die 808 nicht zur aktuellen Musik gepasst habe. Die Antwort war ein klares „Nein“. Die Geschichte der 808 und das Gespräch mit Herrn Kakehashi waren echt interessant. Er wusste, dass er besondere Maschinen bauen kann. Er konnte es nicht genau erklären, er wusste es einfach. Ist das nicht krass? Viele Jungs, die eigentlich keine Musiker waren und nie eine Platte hätten aufnehmen können, haben mit der 808 Hits produziert. In dieser Hinsicht sind sie Herrn Kakehashi sehr ähnlich: Er hat zwar selbst keine Platten aufgenommen, aber er hat uns das Werkzeug dazu gegeben.
