Die Roland Boutique Series StoryBehind-the-Scenes – ein Interview mit den Entwicklern

The Roland Boutique Series Story

Wann begann die Entwicklung der Roland Boutique-Serie?

Tojo:Unser erster Gedanke war, einen vollwertigen Synthesizer in einer sehr kompakten Form herzustellen; der vielleicht wie eine technische Spielerei aussieht, aber einen unglaublich guten Sound produziert. Unser Ziel war, einen Synthesizer zu bauen, den die Menschen sehr einfach und unabhängig nutzen können, mit eingebauten Lautsprechern und Batteriebetrieb. Da wir Zugriff auf die ACB (Analog Circuit Behavior) Modeling-Technologie, die ursprünglich für die AIRA-Serie entwickelt wurde und auf ein Mini-Keyboard ähnlich des JD-Xi-Synthesizers hatten, haben wir uns überlegt, diese beiden Komponenten zu verbinden und daraus etwas Interessantes zu generieren. Die ersten Überlegungen haben wir Ende 2014 angestellt und im Januar 2015 mit der Entwicklung begonnen.

War euer Gedanke von Beginn an, die klassischen Roland-Synthesizer als Grundlage dieser Serie zu verwenden?

Tojo:Genauso war es. Wir wollten mithilfe von ACB und dem Mini-Keyboard die Klassiker nachbauen, die alle kennen. Der JUPITER-8 und der JUNO-106 waren von Beginn an unsere Favoriten, da beide Synthesizer bis heute sehr populär sind. Um die Reihe zu vervollständigen, haben wir uns für den JX-3P entschieden, der einen anderen Sound besitzt als JUPITER oder JUNO. Die finale Entscheidung für diese drei Synthesizer wurde dann sehr schnell ohne große Diskussionen getroffen.

Synthesizers

Ihr habt sicherlich eine Menge Zeit aufwenden müssen, um die Technik des JUPITER-8, JUNO-106 und JX-3P zu analysieren. Was denkt ihr hat diese Synthesizer so populär gemacht?

Tojo:Mein Eindruck war, dass der Grund der jeweils individuelle Soundcharakter ist, den jeder dieser Synthesizer für sich in Anspruch nehmen kann. Diese Form der Einzigartigkeit hat dazu geführt, dass diese Synths quasi als Katalysator für die Entwicklung neuer Musikstile gedient haben. Sie haben einfach eine Seele, sozusagen.

Tohyama:Meine Wahrnehmung war, dass der Chorus-Effekt des JUNO-106 wirklich etwas Besonderes ist. In einem Gespräch mit den Entwicklern des Originals haben wir erfahren, dass der JUNO-106 aus Kostengründen nur einen Oszillator erhalten hat. Damit kann man natürlich keine fetten Sounds programmieren. Sie haben also einen Chorus-Effekt nachgeschaltet, damit der Sound mehr Dichte erhält. Der JUNO-106 ist außerdem bekannt für seine fetten Bass-Sounds, der dadurch erzeugt wird, indem die tiefen Frequenzen überbetont werden, wenn der High Pass-Filter nicht zu Einsatz kommt. Mit anderen Worten: Man hat seinerzeit verschiedene Strategien verwendet, um den Sound des nur einen Oszillators aufzuwerten. So macht man aus einer technischen Misere eine segensreiche Erfindung. [lacht]

Ohnishi:Ich selber kannte aus meiner Vergangenheit nur den JUNO-106, die Sounds des JUPITER-8 und JX-3P waren neu für mich. Wenn du mit analogen Synthesizern arbeitest, stellst du erst bei Betätigen der Regler fest, welche erstaunlichen Klangvariationen möglich sind. Das hat mir ein Gefühl dafür gegeben, warum so viele Menschen diese drei Synthesizer sehr verehren.

Stimmt es, dass die Module mithilfe der ACB-Technologie den Sound des entsprechenden Synthesizers originalgetreu reproduzieren?

Tojo:Ja, das kann man so formulieren. Alle Parameter des Original-Synthesizers sind auch in dem jeweiligen Boutique-Modul vorhanden. Abgesehen von einigen Parameter-Reglern, die wir aufgrund des begrenzten Platzes auf der Bedienoberfläche verschieben mussten, basiert alles auf dem Design des jeweiligen Original-Synthesizers.

Ohnishi:Einige Parametergruppen haben sogar zusätzliche Erweiterungen erhalten und wir haben weitere Oszillator- und LFO-Wellenformen hinzugefügt. Bei JP-08 beispielsweise haben wir in der LFO-Sektion Dreieck- und Geräusch-Wellenformen sowie in der VCO1-Sektion eine Sinuswelle hinzugefügt. Wir haben außerdem die Bandbreite des VCO-1 und VCO-2 erhöht.

Tohyama:Im JU-06 hat der LFO zusätzliche Einstellungen erhalten, und wir haben das High Pass-Filter vollständig variabel gestaltet. Das Originalinstrument, der JUNO-106, hatte lediglich vier umschaltbare Positionen. Damit haben wir zwei Ziele erreicht: Die vollständige Reproduktion des Originalsounds sowie zusätzliche Soundoptionen, die mit dem Originalinstrument nicht möglich waren.

Ohnishi:Von allen drei Boutique-Modulen besitzt der JX-03 die größte Anzahl an hinzugefügten Parametern, inklusive zwei neuen Typen von Sägezahn-Wellenformen und Geräusch-Wellenform für den LFO sowie Sinus-, Sägezahn- und Geräusch-Wellenformen für den DCO. Wir haben außerdem die Bandbreite des DCO erweitert und drei neue Typen von Cross-Modulationen hinzugefügt.

Tohyama:Im JU-06 können Chorus 1 und Chorus 2 gleichzeitig verwendet werden. Dieses war auch schon möglich im JUNO-6 und JUNO-60, aber nicht im JUNO-106. Viele Synthesizer-Freaks haben genau deswegen nach einem JUNO-6 oder JUNO-60 Ausschau gehalten, jetzt gibt es dieses Feature auch im neuen JU-06.

Tojo:Die Sache mit den beiden Chorus-Effekten ist definitiv ein erfüllter Traum für JUNO-106 Fans. [lacht]

Wurde die Roland Boutique-Serie vom gleichen Team entwickelt, dass auch die AIRA-Serie konzipiert hat?

Tojo:Nein, das sind zwei unterschiedliche Teams. Bei Roland werden Entwicklerteams auf Basis eines speziellen Projekts zusammen gestellt, in diesem Fall unser Team für die Roland Boutique-Serie. Wir haben aber Hilfestellung bzgl. der ACB-Technologie von den AIRA-Entwicklern erhalten.

Ihr hattet erwähnt, dass ihr einige Entwickler der Original-Synthesizer befragt habt. Was wurde dort besprochen?

Tojo:Mit ACB braucht man nur einen Schaltplan und das Originalinstrument, um eine ordentliche Simulation zu erzielen. Es gibt während der Entwicklungsphase aber immer noch Phänomene, die nicht so einfach herauszufinden sind. Der Low Boost des JUNO-106 war so ein Fall, bei dem wir uns fragten, warum die Entwickler diesen so gestaltet haben wie es tatsächlich seinerzeit ausgeführt wurde. In solchen Fällen war es unser Anliegen, durch Befragen der Entwickler der Originale mehr über den Hintergrund herauszufinden.

Roland Boutique

Jedes der Roland Boutique-Modelle ist 4-stimmig polyphon.

Tojo:Das ist korrekt, alle drei Modelle haben jeweils 4 Stimmen, und man kann zwischen den Modi Poly, Solo und Unison umschalten. Werden mehr als 4 Stimmen benötigt, kann man zwei Module über MIDI zusammen schalten, um 8 Stimmen zu erhalten. Damit sind z.B. bei zwei JP-08 erstaunliche Sounds möglich, die wirklich dicht und fett sind und dem Soundcharakter des Originals in nichts nachstehen. Theoretisch ist es sogar möglich, noch mehr Module zu kaskadieren, aber irgendwann macht sich eine Latenz bemerkbar, es ist eben MIDI. [lacht]

Müssen die Module in einer Kette immer das gleiche Modell sein?

Tojo:Nein, sie können auch unterschiedlich sein. Bei zwei unterschiedlichen Modulen wird lediglich die Polyphonie erhöht, bei zwei Modulen des gleichen Typs werden auch die Parameter zusammen geschaltet.

Tohyama:Die Boutique-Module besitzen einen Stereo-Miniklinkeneingang, so dass man die Module auch über Audio miteinander verbinden kann. Das am Audioeingang anliegende Signal wird über die eingebauten Lautsprecher wiedergegeben, und da das Audiosignal vorher digitalisiert wird, kann dieses auch über USB ausgegeben werden.

Das bedeutet, dass jedes der Module zusätzlich als USB Audio-Interface arbeiten kann?

Tojo:Das ist korrekt. Ein Modul kann über USB sowohl MIDI-Informationen als auch Audiodaten in der Auflösung 24-bit/44,1 kHz mit einer auf einem Rechner installierten DAW-Software austauschen.

Die Standard Sampling Rate der AIRA-Serie ist 96 kHz, warum habt ihr euch bei der Roland Boutique-Serie für 44,1 kHz entschieden?

Tojo:Wir wollten sichergehen, dass möglichst viele Anwender die Chance haben, die Boutique-Module ohne große technische Herausforderungen einzusetzen. Die 96 kHz der AIRA-Serie sind natürlich ein sehr großer Schritt in Richtung Top-Soundqualität, es kann in einigen Fällen aber auch zu technischen Problemen im Setup kommen, daher haben wir uns für den einfacher zu beherrschenden Standard von 44,1 kHz entschieden.

Ohnishi:Bei Umfragen unter Anwendern haben wir ebenfalls herausgefunden, dass für die Audioverbindungen (Input und Output) sowie einen Kopfhörer der Stereo-Miniklinkenstecker die populärste Lösung ist, auch wenn man z.B. Smartphones oder externe Lautsprecher anschließen möchte.

Die Module besitzen keinen Netzteilanschluss?

Ohnishi:Das ist korrekt. Die Stromversorgung erfolgt über den USB-Anschluss. Wenn ein Modul nicht an einem Rechner angeschlossen ist, kann man entweder einen handelsüblichen USB-Netzadapter oder auch Batterien verwenden.

Warum habt ihr euch für das Desktop-Design entschieden, das bei Bedarf in ein Keyboard-Dock montiert werden kann?

Tojo:Zuerst haben wir überlegt, mit eingebauten Tastaturen zu arbeiten. Im Laufe der Entwicklung hat sich aber gezeigt, dass der Bedarf eher in Richtung “reines Modul” sowie “separate Tastatur” geht, einerseits weil viele Anwender nur die Module besitzen möchten und andererseits eine separate Tastatur das Setup noch kompakter gestaltet. Das K-25m Keyboard wurde exklusiv für die Boutique-Serie gebaut. Es besitzt 25 dynamisch spielbare Mini-Tasten und wird über ein 16-pin Flachbandkabel mit einem JP-08, JU-06 oder JX-03 verbunden.

Ohnishi:Das K-25m Dock ist so aufgebaut, dass man das daran angeschlossene Modul in drei unterschiedlichen Winkeln positionieren kann. Wir hatten diese Art des Designs zu Beginn nicht bedacht, aber als wir das erste Mal das Bild eines angewinkelten Moduls sahen, mussten wir sofort an den Look eines klassischen Analog-Synths denken. Da wir uns relative spät für die Endversion entschieden hatten, war das für unsere Gehäuse-Experten eine echte Herausforderung. Sie erwähnten mal, dass sie für die Winkelkonstruktion Anregungen aus dem Spielemarkt erhalten und diese dann in die Tat umgesetzt haben.

Das Keyboard hat zwei Oktaven. Was war der Grund, sich für diese Größe zu entscheiden?

Tojo:Unser Ziel war, ein Setup zu erstellen, dass die Größe eines Standard-Papierblatts bzw. Laptops nicht überschreitet.

Tohyama:Daher passen die Geräte auch sehr gut in eine Laptoptasche. [lacht]

Tojo:Für die Verpackung haben wir uns für ein Buch-ähnliches Format entschieden. Wenn man die Geräte nicht verwendet, kann man diese in die Verpackung zurücklegen und einfach in einen Bücherschrank stellen.

Gibt es weitere Features, dir wir noch nicht erwähnt haben?

Tojo:Man kann über die im Modul eingebauten Ribbon-Controller Noten spielen, ohne dass ein K-25m Keyboard angeschlossen sein muss. Die Voreinstellung ist “chromatische Tonfolge”, man kann aber auch weitere voreingestellte Skalen auswählen. Die Module besitzen weiterhin einen 16-Step/16-Pattern Sequencer, sehr praktisch. Die Reihenfolge der Steps kann frei arrangiert bzw. der Sequencer kann über MIDI synchronisiert werden. Über den Ribbon-Controller können sogar Sequencer-Events eingegeben werden.

Roland Boutique

Auf welche Dinge musstet ihr in der Entwicklungsphase besonders achten?

Tojo:Unser Bestreben war, ein auch im Aussehen attraktives Produkt zu entwickeln, das möglichst viele Kunden erreicht. Wir haben uns daher für ein Gehäuse aus Metall sowie Schieberegler mit integrierten LEDs entschieden, um das typische Boutique-Feeling zu erzeugen. Viele Bauteile inklusive der Regler wurden vollständig neu konzipiert.

Die Module sind tatsächlich wie Miniaturen der originalen Synthesizer—ein “must have” für Synthesizer-Freaks.

Tojo:Uns war wichtig, die vollständige Indentität der JUPITER-8, JUNO-106 und JX-3P zu wahren. Dazu gehört nun mal nicht nur der Sound, sondern auch das Oberflächen-Design.

Seit ihr in der Entwicklungsphase auf Schwierigkeiten gestoßen?

Tojo:Aufgrund der bereits vorhandenen ACB-Technologie sind wir nicht in Situationen gekommen, wo wir nicht mehr weiter wussten. Das Schwierigste waren eher die mechanischen Herausforderungen sowie das Design der Schaltkreise, für die nur sehr wenig Platz zur Verfügung stand.

Ohinishi:Ein weiteres komplexes Thema war die Stromversorgung mit Batterien. Ursprünglich hatten wir geplant, mit zwei AA-Batterien zu arbeiten. Aufgrund der internen Lautsprecher und des Einbaus von hochwertigen analogen Schaltkreisen mussten wir auf vier AA-Batterien erweitern. Nun ist es möglich, ein Modul ca. 6 Stunden über Batterien mit Strom zu versorgen.

Tojo:Masato Ohinishi gehörte auch zu dem Team, das die Field Recorder R-09, R-05 und weitere entwickelt hat, daher hat er ein sehr umfangreiches know-how in Bezug auf Batterien. Rolands erster Field Recorder, der R-1, war bekannt für die kurze Betriebsdauer seiner Batterien. [lacht] Aber im Laufe der Zeit wurde auch diese Situation immer besser, und unsere Roland Boutique-Serie kann glücklicherweise von diesem Fortschritt profitieren.

Wie fühlt ihr euch heute, da das Design abgeschlossen und die Produkte auf dem Markt sind?

Tohyama:Wir denken, wir haben Instrumente erschaffen, die einen guten Eindruck der Originalsounds aus vergangenen Zeiten vermitteln, gleichzeitig technologisch up-to-date sind und den Leuten einfach Spass machen werden.

Tojo:Wir haben die finale Versionen der Module verschiedenen Kollegen bei Roland vorgestellt, und der einhellige Tenor war “Ich möchte auch einen haben”. Dieses hohe Maß an Attraktivitätsbonus kann dazu führen, dass die Module später eventuell als Rarität gehandelt werden. Ich selbst würde auch gerne eines haben. [lacht]

Ohnishi:Diese Produkte sind in ihrer Produktionsmenge limitiert, also bitte beeilen, bevor sie alle vergriffen sind. [lacht]

Als zweite Serie der Roland Boutique-Reihe kämen sicher die Klassiker TR-808, TR-909 und TB-303 in Betracht.

Tojo:Das wäre möglich. Wir werden auf die erste Boutique-Serie sicher eine Menge Rückmeldungen von unseren Kunden erhalten und dann entscheiden, wie wir weiter machen.

From left to right: Masato Ohnishi, Takeshi Tojo, and Hirotake Tohyama.
von links nach rechts: Masato Ohnishi, Takeshi Tojo, and Hirotake Tohyama