Ein wichtiges Merkmal des Roland A-01 ist, dass es über den “8-Bit CPU Synth” verfügt, einen einzigartigen Tonerzeugungs-Schaltkreis. Wie der Name erahnen lässt, ist der 8-bit CPU Synth eine “virtuell analoge” Sound-Engine, die einen subtraktiven Synthesizer mit einer 8-Bit CPU reproduziert. Im Gegensatz zu den vielen anderen Geräten, die von sich behaupten, dass sie virtuell analog sind, schafft es dieser Synthesizer – mit der begrenzten Rechenleistung seiner 8-Bit CPU und einem Lo-Fi 10-Bit DA-Converter – tatsächlich Sounds mit einer einzigartigen analogen Textur zu erzeugen. Sein Sound, der sich am besten als “vintage digital” beschreiben lässt, wird Synthesizer-Fans auf der ganzen Welt verzaubern.
Die Grundidee eines 8-Bit CPU Synth stammt von Akira Matsui, einem ehemaligen Roland-Techniker. Nach seinem Beginn bei Roland im Jahre 1977 war Matsui an der Entwicklung vieler Produkte beteiligt, darunter Klassiker wie das SYSTEM-700, SYSTEM-100 und die Guitar Synthesizer der frühen GR-Serien. Das bedeutendste Gerät, an dessen Entwicklung er mitgearbeitet hat, war der JX-3P. Noch heute ist das 1983 veröffentlichte Gerät als einer der ersten Synthesizer mit MIDI-Implementierung und für seine einzigartigen Sounds bekannt. Er war auch die Inspiration für den 2015 vorgestellten JX-03 der Roland Boutique Serie.
Nach seinem Ausscheiden bei Roland im Jahr 2013, vertiefte Matsui sich in sein Hobby, das Bauen elektronischer Geräte in seinem Homestudio. Hier erschuf er auch den 8-Bit CPU Synth, der nun im A-01 Verwendung findet. Ein Roland Mitarbeiter, der den handgebauten Synth zufällig sah, war sofort fasziniert und konnte Matsui davon überzeugen, ihm alles zu erklären.
Dies ist die Geschichte, wie der 8-Bit CPU Synth, den Matsui aus Spaß gebaut hatte, in den A-01 gelangte und wie eine erneute Zusammenarbeit zwischen Roland und einem seiner legendären Entwickler zustande kam.
Akira Matsui ist eine Legende der Roland Techniker und war an der Entwicklung von vielen Klassikern, wie dem JX-3P Synthesizer, beteiligt.
Sie sind bekannt dafür, der Schöpfer eines absoluten Roland Klassikers zu sein, des JX-3P. Haben Sie damals bei Roland angefangen, weil Sie Synthesizer entwickeln wollten?
Matsui:Ja. Synthesizer wurden während meines Studiums gerade bekannt. Sie umgab eine stylische Aura und ich war sofort fasziniert. Als dann die ersten Artikel in den Zeitschriften erschienen, in denen beschrieben wurde, wie man selbst einen Synth bauen kann, habe ich direkt angefangen. Schnell wurde mir klar, dass ein Synth nicht wirklich ein Synth ist, wenn er nicht über eine Tastatur verfügt. Ich weiß noch, wie ich mit einer Säge kleine Holzklötze zurecht schnitt und dann daraus die weißen und schwarzen Tasten entstanden. Ich muss zugeben, dass ich nach einer halben Oktave aufgegeben habe! [lacht] Auf jeden Fall habe ich immer schon gerne an Dingen herumgebastelt und mochte Sachen, aus denen Klänge kamen – deshalb habe ich bei Roland angefangen.
Ich bin 1977 zum Unternehmen gekommen und habe mit Montage- und Inspektionsarbeiten am SYSTEM-700 und SYSTEM-100 in der Fabrik in Osaka angefangen. Kurz darauf wurde ich der Verantwortliche für das Design der Schaltkreise. Damals hatten wir noch nicht die praktischen Werkzeuge von heute, deshalb haben wir die blanken Leiterplatten genommen, die Schaltpläne mit einem permanenten Stift aufgezeichnet und sie anschließend mit Eisenchlorid eingeätzt, um ein Muster zu erstellen. [lacht] Nach drei Jahren in Osaka wurde ich nach Matsumoto versetzt und kurz darauf in die Entwicklung des Guitar Synths einbezogen. Beim GR-700 etwa, war ich seit den ersten Entwürfen beteiligt.

An welche Produkte erinnern Sie sich am meisten, wenn Sie an Ihre Zeit bei Roland zurückdenken?
Matsui:Das müsste der JX-3P sein. Sicherlich, weil er der erste Synthesizer mit MIDI-Implementierung war, aber auch, weil es der erste Synth war, für den ich den Mikroprozessor programmiert habe. Von da an habe ich nahezu ausschließlich am analogen Schaltkreis-Design gearbeitet. Im Nachhinein war das Programmieren des Mikroprozessors eine ziemlich toughe Zeit. Aber auch, weil ein Entwicklungsprozess auch immer eine Reise in ein neues Gebiet ist, hat es viel Spaß gemacht. In Hinblick auf die Rentabilität der Neuentwicklungen, waren es damals schwierige Zeiten, aber der JX-3P hat sich für die Fabrik in Matsumoto gerechnet.
Ein weiteres Produkt, an das ich mich gut erinnere, ist die VS-Serie. Das Konzept war, ein einzelnes Gerät zu entwickeln, das aus jedem beliebigen Raum ein Studio machen kann. Hierzu haben wir die Serie jeweils mit einem Recorder, aber auch mit einem Mixer und Effekten ausgestattet. Wir haben damit genau die Bedürfnisse der Zeit erfüllt und die Serie wurde zu einem Kassenschlager. Die VS-Serie verwendete ein Kompressions-Verfahren namens “R-DAC”, das es den Nutzern ermöglichte, längere Aufnahmen auch bei begrenztem Speicherplatz zu realisieren. Der natürliche Klang von R-DAC hat größtenteils zum Erfolg der Serie beigetragen. Damals war auch MP-3 gerade vorgestellt worden, aber anstatt Audio-Informationen wegzuschneiden, hat R-DAC die Audio-Signale nicht verändert und alle Nuancen des Original-Sounds beibehalten.
Seit Ihrem Ausstieg bei Roland 2013, haben Sie sich ganz Ihrem Hobby, dem Bauen elektronischer Geräte, gewidmet.
Matsui:Lange Zeit während meiner Arbeit für Roland, hat mir das Unternehmen die Freiheit gegeben, die Produkte so zu entwickeln, wie ich als Ingenieur es für richtig gehalten habe, wofür ich sehr dankbar bin. Gegen Ende meiner Karriere hatte ich dann eine Position im Management und immer das Verlangen, wieder selbst Dinge mit meinen eigenen Händen zu bauen. Nachdem ich in den Ruhestand getreten bin, hat sich dieser Drang mit einem Mal entladen und ich laufe seitdem nur noch mit dem Lötkolben in der Hand herum. [lacht] Ich habe mir sogar einen 3D Drucker gekauft, so dass ich alles sofort umsetzen kann, was mir durch den Kopf schießt.
In den zwei Jahren sein Beginn meines Ruhestands habe ich eine Menge Sachen gebaut: Ich habe einen Helikopter für Fotoaufnahmen aus der Luft entwickelt, so in der Art wie die Dronen, die seit einigen Jahren immer populärer werden, und habe eine Tischuhr gebaut, die auf einem VU-Meter basiert. Außerdem zieht es mich magisch an Dinge zusammen zu löten, deshalb habe ich mir im Baumarkt eine riesige Menge Messingnägel gekauft und daraus ein ferngesteuertes Auto gelötet. Wenn ich mir das alles so ansehe, ging es mir vielleicht doch nur darum den Geruch der Lötpaste einzuatmen. [lacht] Aber ich arbeite auch gerne mit Holz und schweiße viel.

Der 8-Bit CPU Synthesizer ist eine Sound Engine, die die technischen Begrenzungen einer konventionellen 8-Bit CPU, basierend auf einem 8KB Speicher, sprengt.
Wenn Sie es doch so genießen zu Hause Dinge zu bauen, wieso kamen Sie auf die Idee wieder einen Synthesizer zu entwickeln?
Matsui:Die ganze Zeit über, während ich an diesen Dingen bastelte, habe ich mich immer noch für Sound interessiert. Da war dieses heimliche Verlangen irgendwann vielleicht doch wieder einen Synthesizer zu bauen. Heute gibt es sehr günstige ARMs und CPUs, so dass jeder einen einfachen Synthesizer bauen kann, wenn er möchte. Und ich habe während meiner Zeit bei Roland so viele analoge Synthesizer gebaut, dass mich das nicht mehr vom Hocker reißt. Dann hatte ich eines Tages die Idee, wie es wohl wäre einen Synth mit einer 8-Bit CPU zu bauen. Die eigentliche Idee war es herauszufinden, wie weit ich mit den begrenzten Möglichkeiten einer 8-Bit CPU und 8KB Speicher kommen würde. Ich denke, das war Anfang 2014. Das erste, was ich programmiert habe, war der Oszillator und ich war wirklich überrascht, dass man wirklich vernünftiges Sound-Material erreichen konnte, ohne viele Ressourcen zu benötigen. Danach habe ich alle weiteren analogen Synth-Elemente programmiert – das Filter, danach den Amp, dann den LFO – und ich konnte sie alle gut verpacken. Den restlichen Platz habe ich für einen Step Sequencer verwendet und fertig war der 8-Bit CPU Synth.
Sie haben also extra eine Reihe von Hindernissen, wie die 8-Bit CPU und die 8KB Speicher eingebaut, weil es Ihnen zu einfach war einen normalen Synth zu bauen? Weil das ja jeder könnte?
Matsui:Irgendwie schon. Man kann sagen, dass ich einfach mal sehen wollte, wie weit ich mit einer 8-Bit CPU und 8KB Speicher komme. [lacht] Wenn du tief in einem Thema steckst, sind es oft diese Art von Hindernissen, die es spannend machen.
Wenn man „8-Bit“ hört, denkt man sofort an die Chiptune Sound Engines aus Spielekonsolen. Der 8-Bit CPU Synth hingegen ist eine virtuell analoge Sound Engine, die eine 8-Bit CPU verwendet, um subtraktive Synthesizer Schaltkreise zu reproduzieren, stimmt das?
Matsui:Ja, so ist es. Es enthält je einen Oszillator, Filter, Envelope Generator, Amp und LFO. Es verfügt über vier Oszillator-Wellenformen (Sägezahn, Rechteck, Pulse und Noise) und vier LFO-Wellenformen (Sinus, Dreieck, Sägezahn und Random). Im Filter habe ich das Verhalten status-variabler Filter reproduziert.
Haben Sie auch überlegt ungewöhnliche Wellenformen oder Features hinzuzufügen, die man nur mit digitalen Sound Engines erreicht?
Matsui:Das Konzept des 8-Bit CPU Synth war es, basierend auf einer 8-Bit CPU eine originalgetreue Reproduktion der Algorythmen zu schaffen, die in den analogen Synthesizern der guten alten Zeit verbaut waren, deshalb habe ich nie darüber nachgedacht ungewöhnliche Funktionen hinzuzufügen. Selbst wenn Sie von einer „Sägezahn-Wellenform“ sprechen, habe ich meine ganz eigene Vorstellung der „perfekten Sägezahn-Wellenform“, und genau die wollte ich auf einer 8-Bit CPU reproduzieren. Ebenso ist es mit dem Envelope-Generator – ich wollte die exakte Kopie eines analogen Synth-Envelopes schaffen, der mit Hilfe von Widerständen und Kondensatoren generiert wird. Es gab also auch Bereiche, bei denen ich die Vorzüge des Digitalen beibehalten habe. Man kann beispielsweise die Frequenz eines LFOs sehr hoch schrauben, was dazu führt, dass man, wenn man den Oszillator in diesem Zustand moduliert, man eine Art FM-artigen oder digital Synthigen Sound erhält.
Ich war beeindruckt von der einzigartigen Präsenz des Sounds, der sich deutlich von anderen digitalen oder analogen Synthesizern abhebt.
Matsui:Einige der virtuell analogen Synths geben ihre Oszillator-Wellenformen als Samples aus, wo hingegen der Oszillator des 8-Bit CPU Synths tatsächlich oszilliert. Auch das Noise entsteht über ein wirkliches Oszillieren. Ich wollte herausfinden, was ich mit den begrenzten Mitteln der 8-Bit CPU und den 8KB Speicher schaffen kann, aber es wahr ehrlich gesagt gar nicht so schwer, die Funktionen eines analogen Synthesizers zu reproduzieren. Wenn ich es dabei belassen hätte, wäre der Sound sehr schwach gewesen, deshalb habe ich viel Zeit damit verbracht die CPU zu programmieren. Ein Synth mit lausigem Sound bringt gar nichts. Wenn du aber anfängst über komplizierte Anpassungen den Sound zu verbessern, stößt du schnell an die Grenzen der 8KB Speicherplatz. Du nimmst also Veränderungen vor und achtest immer darauf, dass sie noch in die 8KB passen. Ich denke das ist es, was den Sound des 8-Bit CPU Synths so einzigartig macht und ihn von modernen Synthesizern und Sound-Modulen unterscheidet.
War das Anpassen der CPU-Programmierung also eine Mischung aus immer wiederkehrendem Hören des Sounds und vielen „Trial and Error“-Versuchen?
Matsui:Ja, so war es. Einen Synth zu entwickeln ist letztendlich immer ein „Trial and Error“-Prozess und die Theorie verabschiedet sich sehr schnell. [lacht] Das gilt auch für analoge Synths. Du fängst einfach an den Sound zu spielen und verlässt dich beim Anpassen auf deine Ohren. Es sind also ständige Trials and Errors.

>„Ich war besessen davon, die perfekte Sägezahn-Wellenform zu entwickeln, was auch immer die Leute sonst machen, ich will, dass sie diesen Sound hören.“
In welchen Bereichen hatten Sie bei der Entwicklung besonders hartnäckige Schwierigkeiten?
Matsui:Ganz weit oben steht hier der Noise. Der 8-Bit CPU Synth läuft mit einer 48kHz Sampling-Frequenz und hat die gesamte Rechenleistung in dieser Frequenz, was das Noise zu einem der größten Ressourcen-Fresser macht. Obwohl ich seit so langer Zeit mit analogen Synthesizern arbeite, kann ich mich nicht mit einem mickrigen Noise zufriedengeben. [lacht] Ich wollte ein angenehmes Noise, das die Leute zum Klangschaffen verwenden können, deshalb habe ich hier sehr viel Zeit investiert.
Und nun wird der 8-Bit CPU Synth, den Sie als Teil Ihres Hobbies entwickelt haben, in Rolands neues A-01 integriert. Wie kam es zu dieser Zusammenarbeit?
Matsui:Als ich den ersten Prototyp meines 8-Bit CPU Synth fertig hatte, habe ich ihn auf der Maker Faire Tokyo 2014 ausgestellt, einer Messe für einzelne Personen oder Organisationen, die „Dinge machen“ [Monozukuri]. Jemand von Roland sah ihn und mochte ihn – und dann wurde er in die Sound Engine des A-01 integriert. Und aus dem A-01 wurde ein echt spannendes Produkt. Es wäre auch nur als USB MIDI Controller mit Bluetooth MIDI und CV/Gate Output einzigartig gewesen, aber nun verfügt es auch über einen integrierten 8-Bit Synth. [lacht]
Was denken Sie, als alter Roland Ingenieur über das A-01?
Matsui:Ich denke, es ist ein wirklich interessantes Produkt. Der Sequencer, den ich für den 8-Bit CPU Synth gemacht habe, ist sehr simpel, aber der eingebaute Squencer des A-01 ist sehr mächtig und kann unter anderem auch shuffeln. Zusätzlich sind die Control-Elemente echt super. Es sind Volume-Knopf-artige Drehregler, die sich angenehm bedienen lassen. Selbst als Ingenieur sieht man die unglaubliche Liebe zum Detail, die in diesem Produkt steckt.
Der 8-Bit CPU Synth ermöglicht es dem User eine Vielzahl von Sounds, wie Bässe und Leads zu erstellen – gibt es bestimmte Sounds, die Sie als Entwickler empfehlen würden?
Matsui:Mal sehen... über Jahre hinweg war ich ein großer Fan von Sägezahn-Wellenformen, deshalb würde es mich sehr freuen, wenn die Leute hierauf besonders achten. Ich finde, dass es einen großartig anhaltenden Klang hat, der jedem, der darauf besonderen Wert legt, überzeugen wird. [lacht] Übrigens wird der A-01 mit 16 Presets ausgeliefert und ich freue mich schon darauf zu hören, mit welchen Sounds Roland den A-01 ausstatten wird.
